Leserecke 58-2013
Verdiente Bürger –
Ehrung für Reimer Pohl und Wolfgang Klockow
Der ehemalige Bürgervorsteher Heinrich Böhmer und die Sozialausschussvorsitzende Marion Callsen-Mumm ehrten auf Vorschlag der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte ihren langjhrigen Vorsitzenden Reimer Pohl als verdienten Bürger der Stadt Schleswig.
„Es gibt wohl keinen Schleswiger, dem Reimer Pohl mit seinen vielfältigen Tätigkeiten in der Kulturszene der Stadt nicht schon begegnet ist“, sagte Böhmer in wertschätzender Anerkennung seines Lebenswerkes.
Foto: Kai Labrenz
Ebenso lobend fiel die Würdigung von Wolfgang Klockow aus, mit dem ein weiteres Mitglied der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte für seine Verdienste um das kulturelle Leben in der Stadt geehrt wurde. Anlässlich der Mitgliederversammlung gratulierte der Vorsitzende unserer Gesellschaft, Klaus Nielsky, den beiden Geehrten sehr herzlich.
Vor einhundert Jahren endete das Leben von Carl Diercke
Schlag nach bei Duden, schlag zu mit Diercke“, ein Spruch, der manches Schülerleben begleitete. Ein Atlas kann eine wirksame Waffe bei Klassenschlachten sein. Wer war Carl Diercke, der vor 100 Jahren am 7. Mrz 1913 in Berlin verstarb.
Carl Diercke wurde am 15. September 1842 in Kyritz in der Mark Brandenburg als Sohn eines Gastwirts und Brauereibesitzers geboren. Nach Beendigung seiner schulischen Bildung begann er seine Ausbildung zum Volksschullehrer. 1895 ging er für drei Jahre als Privatlehrer nach Riga, bevor er 1870 als Seminarlehrer nach Berlin berufen wurde. Dort lernte er seine spätere Frau, Hermine Marie Ottilie Lucas, kennen, die er 1871 heiratete. Aus dieser Verbindung gingen 8 Kinder hervor. Vor etlichen Tagen berichtete der Westdeutsche Rundfunk „In der Landkarte seines Lebens stecken viele kleine Fähnchen“. Als Lehrer, später als Direktor und Schulrat machte er Station neben Berlin in Stade (1873 – 1882), Osnabrück (1885-1899) und schließlich in Schleswig. Sein Interesse galt der Geografie, und er begann schon früh, eigene Karten zu entwerfen, die klar und übersichtlich gezeichnet und damit besonders für Kinder und Jugendliche geeignet waren. 1875 trat er in Kontakt mit dem Verleger Georg Westermann aus Braunschweig für die Drucklegung eines Schulatlasses. Auch mit dem Kartografen Eduard Gaebler aus Leipzig nahm er Verbindung auf, der in mehrjähriger Arbeit die Länder nach den Vorstellungen Dierckes kartografierte und alles präzise umsetzte. 1883 erschien dann der „Schulatlas über alle Teile der Erde“. Mit seinen Karten verfolgte Diercke das Prinzip „Eine Karte muss einfach, zweckmäßig und schön sein“.
Generationen von Schulkindern haben sich seit dieser Zeit im Erdkundeunterricht der „Diercke-Schulatlanten“, die in weit über hundert Auflagen erschienen sind, bedient. Während seiner Schleswiger Zeit ab 1903 gab es auch die ersten Diercke-Wandkarten. Bis zu seinem Tode 1913 war Carl Diercke Herausgeber des gesamten Atlanten- und Kartenprogramms des Westermann-Verlages.
1899 war Carl Diercke inzwischen als Regierungs- und Schulrat nach Schleswig versetzt worden, wo er zunächst in der Friedrichstraße 62, dann später in der Bahnhofstraße 10 wohnte.
1907 verstarb seine Frau Ottilie. Sie wurde auf dem Friedrichsberger Friedhof neben der Friedrichsberger Kirche beigesetzt. Ein Jahr später ging Carl Diercke in den Ruhestand und zog im September 1908 in die damals noch selbständige Stadt Wilmersdorf bei Berlin. Hier verstarb er mit 70 Jahren am 7. März 1913. Auf seinen Wunsch hin wurde er am 11. März 1913 auf dem Friedrichsberger Friedhof an der Seite seiner Frau beigesetzt.
Heute erinnert in Schleswig nichts mehr an den berühmten Schulmann, dessen Name sich in den Schulatlanten erhalten hat. Die Grabstellen von Carl Diercke und seiner Frau auf dem Friedrichsberger Friedhof bestehen nicht mehr. Allein seine Wohnhäuser in der Friedrichstraße und der Bahnhofstraße sind die einzigen „Denkmäler“ in der Stadt, die noch an den großen Schulmann erinnern könnten. Aber vielleicht wird es ja einmal in Schleswig eine Straße geben, die nach ihm benannt wird.
Näheres über Carl Diercke ist im Heft 50/2005 der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte nachzulesen.
Karl Rathjen
Ehrenamt
Mit der aktuellen Gründung des Fördervereins Graukloster hat sich ein weiterer Verein des kulturellen Erbes Schleswigs angenommen. Allein auf diesem Sektor lassen sich mühelos weit über 20 Vereine und Organisationen zusammenstellen. Nimmt man noch die für Soziales, Sport und Natur hinzu, so wird man die 50 deutlich überschreiten. Mit dem Internet hat sich eine weitere Form ehrenamtlichen Engagements aufgetan, sieht man Foren wie „Klassentreffen“, „Alte Schleihalle“, „Wikingerzeitliche Schifffahrt“ oder das Portal von Falk Ritter wie auch die Internetauftritte der Vorerwähnten. Eine kaum noch überschaubare Fülle, welcher Reichtum! Und doch ist eines zu bedauern: Es gibt zuviel Nebeneinander und damit Effektivitätsverluste. Es wäre schön, wenn sich jenseits allen durchaus nachvollziehbaren persönlichen Ehrgeizes die Aktivitäten in größeren Einheiten bündeln ließen. Die Stadtgeschichtsgesellschaft wäre so eine!
Die Wiederentdeckung von Adolf Dohse
Eine erfolgreiche Ausstellung im Stadtmuseum und ihre Publikation durch Holger Rüdel
Er sah sich selbst nicht als Künstler und Chronisten und hatte daher keine Bedenken, sein umfängliches Archiv am Ende seiner beruflichen Tätigkeit zu verbrennen. Lediglich durch einen glcklichen Zufall entging ein Teil der Vernichtung, wurde von Dr. Holger Rüdel wiederentdeckt und mit Unterstützung der Fielmann-Stiftung in einer viel beachteten Ausstellung im Stadtmuseum der Öffentlichkeit Anfang diesen Jahres zugänglich gemacht – ganz sicher einer jener Gülcksfälle, die sich ein Museumsleiter nur wünschen kann. Selbst wenn es sich nur um einen kleinen Bruchteil des ursprünglichen Bestandes handelte, so konnte doch ein recht umfassender und in seiner Authentizität bemerkenswerter Überblick über das Leben in den 1950er Jahren in Schleswig gewonnen werden, jener Zeit, die als Wirtschaftswunderzeit Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat und deren Lebensäußerungen man nur vor dem Hintergrund der katastrophalen Not der totalen Kriegsniederlage verstehen kann. Dabei ist Schleswig noch vergleichsweise glimpflich davongekommen. Dieser Zeitgeist durchweht auch die sorgfältig komponierten Aufnahmen Adolf Dohses, besonders da, wo es sich um Reklamefotos handelt. In ihrer Ästhetik erweist er sich als bedeutender Fotokünstler. Obwohl diese Zeit für die Älteren lebendige Erinnerung ist, scheint sie doch schon unendlich fern zu liegen. Wer die Ausstellung gesehen hat, wird dankbar begrüßen, dass ihr in einem Begleitband (s. Buchhinweise) Dauer gegeben wurde, wer sie versäumte, hat Gelegenheit, sie hierin nachzuerleben.
Bauen in Schleswig
Ein Glaspalast für Schleswig
Der wohl auffälligste Neubau ist der neue Verwaltungstrakt der Stadtwerke. Viel Lob erhielt der Schleswiger Architekten P. Sindram für seinen lichtdurchfluteten Bau in Hanglage über der Freiheit und setzt damit einen zeitgenössischen Akzent in der Tradition anspruchsvoller Hangbebauung in Schleswig, auch indem er in einen Dialog zu der unterhalb gelegenen A.-P.-Möller-Skolen tritt.
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Abb. 1: Neuer Verwaltungstrakt der Stadtwerke.
Neue Einkaufszentren
Gleich zwei neue Einkaufszentren am Gallberg und am Stadtfeld sind entstanden, ein dritter soll an der Friedrich-Ebert-Straße 2014 fertiggestellt werden. Eingedenk der architektonischen Maxime, dass die Form der Funktion folge, muss man leider akzeptieren, dass derartige
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Abb. 3: Stadtfeld Sky-Markt Neubau.
Funktionsbauten höhere architektonische oder stadtgestalterische Ansprüche nicht befriedigen können. Auch ist hier nicht der Ort, über ihre Notwendigkeit zu diskutieren, wenn auch zu bedauern ist, dass sie zwangsläufig die Aufgabe anderer Geschäftslokale wie den Sky-Markt in der Schubystraße und damit schwer zufällende Leerstände nach sich ziehen. Unbedingt zu begrüßen ist der Markt am Gallberg, dient er doch der Belebung dieses einst lebendigsten Schleswiger Platzes. Die Chance, hier etwas zur stadtgestalterischen
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Abb. 2: Einkaufszentrum am Gallberg.
Aufwertung der arg verschandelten Ostseite zu tun, blieb jedoch aus Kostengründen ungenutzt.So hätte man durch Giebelaufsätze mit dahinter liegenden Penthauswohnungen dem Platz etwas von seiner früheren Kleinteiligkeit zurückgeben können, wenn auch die Fassadenkosmetik mit ihrer die Vertikale betonenden Farbgebung eine deutliche Verbesserung darstellt. Angesichts des stilidentischen Nachbarbaus hatte der Denkmalschutz auf weitergehende Forderungen verzichtet – auch so können schlimme Zustände fortgeschrieben werden! Wichtiger freilich noch wre gewesen, die überbreite Einfahrtsschneise mit der hoch aufragende Brandmauer durch eine Überbauung zu schließen, was aus Kostengründen unterblieb. So reit eine riesige Lücke die Platzfront auf. Im Plan vorgesehene hohe Zäune in Hausform, die dies abgemildert hätten, sind (noch?) nicht verwirklicht. Die eigentliche Markthalle parallel zur Klosterhofer Straße verschwindet gleichsam in der Senke, ist optisch also kein Störmoment. Sollte der Markt zur Behebung der Leerstände am Gallberg und in der Lange Straße beitragen, wäre wenigstens Einiges gewonnen, wenn auch die Ostseite ein gestalterisches Problem bleibt.
Ruinenfelder
Zwei Großbauten von überragender stadtgestalterischer Bedeutung sind zum Abriss freigegeben, das ehemalige Hotel „Stadt Hamburg“ und seit kurzem auch das Stadttheater. Auch die Zukunft des ehemaligen Hertie-Gebäudes ist höchst ungewiss, angesichts seiner geringen Qualitäten wäre dieser Verlust allerdings auch nicht so schwerwiegend, im Gegenteil könnten hier kleinteiligere Lösungen auch einer verbesserten Vermarktung dienen. Man kann nur hoffen, dass sich die künftigen Bauherren des hohen architektonischen Anspruchs der Ersatzbebauung bewusst sind. Da die Stadt nicht über eine Gestaltungssatzung verfügt, sind die Einflussmöglichkeiten begrenzt. Lediglich der Stadtweg wurde als Sanierungsgebiet ausgewiesen.