Band 56-2011
Editorial
Gleich sieben sehr unterschiedliche Jubiläen gilt es zu würdigen, jedes eine besondere Facette der Schleistadt beleuchtend. Drei von ihnen haben wir ausführlichere Beiträge gewidmet: dem 300-jährigen der „Combinirung“ (Malte Bischoff), für das mit dem Erscheinen des von Hans Braunschweig und Hans-Wilhelm Schwarz bearbeiteten Bandes 2 der Schleswig-Chronik von Ulrich Petersen im Frühjahr ein Zeitzeuge schwerpunktmäßig zu Wort kommen wird und das auch mit einer Sonderausstellung im Stadtmuseum gewürdigt wird, dem 200-jährigen der Schleswiger Nachrichten (Jürgen Hoppmann) und dem 175-jährigen der Konstituierung der Ständeversammlung (Reimer Witt). Bei den vier anderen mussten wir uns mit Kurzbeiträgen in der Leserecke bescheiden: 175 Jahre Archäologisches Landesmuseum, je 50 Jahre Schleswiger Speeldeel und Dänischer Ruderclub (Dansk Roklub) sowie 25 Jahre Kinderspielzentrum im Friedrichsberg. Dies ist keine Wertung, sondern nur der unterschiedlichen stadtgeschichtlichen Bedeutung geschuldet.
Anstelle der Aspekte, die uns zur Aufnahme eines Beitrages bewogen haben, möchten wir diesmal auf einige Probleme in eigener Sache eingehen, von denen wir annehmen, dass der Leser sie wissen muss. Für die Print-Medien ist mit dem Internet eine Konkurrenz erwachsen, der sie sich nur schwer erwehren können. Seine Schnelligkeit, Offenheit, Flexibilität und offenbar unbegrenzte Speicherkapazität können Druckerzeugnisse nie erreichen. Deren Überlegenheit zeigt sich eben da, wo die unbestreitbaren Mängel des Internets und damit die Schwierigkeiten für den Leser („User“) liegen: dem Fehlen von Kontrollorganen für Wahrhaftigkeit und Qualität und der ungewichteten Informationsfülle, die es schwer macht, die gewünschten und sachlich richtigen Informationen zu finden. Für die Bewertung helfen auch keine Suchmaschinen! Sinnvolles Ziel kann nur sein, die jeweiligen Stärken zu kombinieren. Dem trägt der Internetauftritt der Gesellschaft Rechnung, den wir künftig auch dazu nutzen wollen, Wissenswertes, dessen Veröffentlichung der begrenzte Platzraum von Beiträgen und Mitteilungen nicht zulässt, auf den betreffenden Seiten zugänglich zu machen. Die Wahl von Herrn Jürgen Rademacher zum Internetbeauftragten trägt dieser gestiegenen Bedeutung Rechnung. Ein konkretes Beispiel: Prof. Dr. Johannes Fox hat einen überaus fakten- und abbildungsreichen Beitrag zur Geschichte der Kreisbahn vorgelegt, dessen Fülle nur eine Veröffentlichung in mehreren Teilen zulässt. Gleichwohl ist es auch damit nicht möglich, alle Abbildungen aufzunehmen. Um sie dem Leser jedoch nicht vorzuenthalten, haben wir uns entschlossen, alle vorgesehenen Abbildungen auf den Internetseiten der GfSSt. unter „Johannes Fox: Geschichte der Kreisbahn“ zu publizieren.
Die Publikation von Abbildungen und Texten im Internet führt zu einem Problem, das bislang kaum beachtet wurde: Fragen des Copyrights und des Plagiats. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, in welchem Umfang gerade in wissenschaftlichen Veröffentlichungen Verstöße publik gemacht worden sind. Betreffen diese z. Z. noch schwerpunktmäßig „spektakuläre“ Fälle, so lässt die Etablierung von Plagiatsforen im Internet und speziellen Anwaltsbüros fürchten, dass diese auch vor Veröffentlichungen wie die unserer Gesellschaft nicht halt machen werden. Für uns ergibt sich damit die Verpflichtung, dass mit der Veröffentlichung von Beiträgen keine Rechteverletzungen vorliegen, mithin für unsere Autoren die Notwendigkeit, insbesondere Copyrights-Fragen im Vorwege zu lösen. Dies ist eine erhebliche Zusatzbelastung für unsere Autoren und mag manchen, wenn nicht von der Arbeit, so doch von der Publikation bestimmter Teile (Abbildungen)abhalten, so sehr diese auch für die Qualität wünschenswert wären. Andernfalls drohen Forderungen, die wir nicht leisten können, von den Ärgernissen und Belastungen einmal ganz abgesehen.
Ein Anderes: Als wir in den Beiträgen die „Lebensberichte“ einführten, geschah dies nach durchaus kontroverser Diskussion. Die Kernfrage ist dabei natürlich: Ist der Stellenwert dieser notwendigerweise subjektiven Berichte als Quelle hoch genug, um in einer wissenschaftlich geprägten Zeitschrift eine Berechtigung zu haben. Wenn wir uns am Ende dazu entschlossen haben, so waren drei Gründe ausschlaggebend:
– Eigene Lebenserfahrungen wissenschaftlich zu validieren, ist eine so hohe Hürde, dass die meisten verständlicherweise davor zurückschrecken. In Ermangelung anderer Publikationsmöglichkeiten, sieht man vom Internet ab, mit dem viele Ältere jedoch wenig vertraut sind, drohen Quellen unwiederbringlich zu versiegen. Darüber hinaus können subjektive Äußerungen wissenschaftliche Nachforschungen anregen.
– Wir wollten eine Neukonzeption der Beiträge anstreben im Wissen darum, dass die Leserschaft zwar historisch interessiert ist, jedoch, von Einzelfragen abgesehen, schwerlich als Fachleute angesprochen werden kann. Es galt also, den Unterhaltungswert der Beiträge zu erhöhen. Hierfür dienen die „Lebensberichte“ ebenso wie die Aufnahme von aktuellen Schleswiger Angelegenheiten in der Leserecke, hier auch speziell mit Blick auf die große Schar von „Butenschleswigern“ unter den Mitgliedern. Die Resonanz zeigt, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses Konzept angenommen haben. – Erzählerische Lebensberichte bereiten vielen ein größeres Lesevergnügen als die oft als zu trocken und zu speziell empfundenen wissenschaftlichen Berichte.
Die diesjährigen „Lebensberichte“ machen die grundsätzliche Problematik deutlich. Bei den „Kindheits- und Jugenderinnerungen“ von Klaus-Detlev Pohl handelt es sich um eine optimale Quelle, die viel über die für Jugendliche so problematische Zeitspanne von 1933 bis 1949 aussagt und verrät, welche Rolle die Kirche in Problemzeiten zu spielen vermag. Wir brauchen uns nur an die Wendezeiten in der ehemaligen DDR zu erinnern.
Frau Ingrid Thomsen verfügt über ein beachtliches erzählerisches Talent und ist zudem durch ihre langjährige Tätigkeit für „Flensborg Avis“ journalistisch geprägt. Wenn sie auch noch ihre eigenen Erinnerungen in die Erzählung Dritter einflicht und im Interesse des Unterhaltungswertes auch Zuspitzungen nicht scheut, wird der Bericht als Quelle problematisch. Andererseits wird bei ihr der „Lollfuß der 1950er Jahre“ so lebendig, dass er für viele einen hohen Wiedererkennungswert hat. Wir haben uns daher nach redaktioneller Überarbeitung, der die Autorin zugestimmt hat, zu seiner Aufnahme entschieden. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf das in seiner Präsentation innovative „Mediencenter“ im Stadtmuseum sowie die beiden Publikationen des Arbeitskreises „Erzählte Geschichte“, die im Rahmen der Museumsarbeit entstanden sind, leider aber keine Aussicht auf Fortführung haben, so dass wir mit den Beiträgen diese Aufgabe übernehmen wollen.
Erstmalig befanden wir uns in der glücklichen Situation, über weit mehr Beiträge zu verfügen, als uns Druckseiten zur Verfügung stehen. Da in diesem Jahr von der Gesellschaft keine Sonderpublikation veröffentlicht wurde, hat der Vorstand unserer Bitte entsprochen, ein umfänglicheres Heft herauszugeben. Dies ermöglicht noch mehr Abwechslung und – wie wir hoffen – Information und Lesevergnügen.
Ihr
Rainer Winkler