Band 62/2017
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Editorial
Im Band 62 unserer Beiträge präsentieren elf Autoren ihre Forschungsergebnisse über die Schleswiger Stadtgeschichte. Den Anfang macht Christian Radtke, M. A., ehemaliger Stadtarchivar und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Archäologischen Landesmuseum. Im Zentrum steht das mittelalterliche Schleswig, und er geht der Frage nach, ob die Altstädter Schützengilde eine Knudsgilde gewesen sei. Aus stadtgeschichtlichen Quellen und überregionalen Vergleichen ermittelt er in seinem brillant recherchierten Beitrag sichere Indizien für eine frühe Knudsverehrung, die die Existenz einer Knudsgilde in Schleswig belegen.
Als Auftakt zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 fand im Herbst des vergangenen Jahres im Schleswiger Dom das Festival „Lichtreise“ statt. In diesem Rahmen durchmaßen vier Themenwochen die zurückliegenden Jahrhunderte der Domgeschichte, begleitet von stimmungsvollen Lichtinstallationen der Hamburger Künstlerin Katrin Bethge, die für ihre Arbeit kürzlich mit dem Kulturpreis der Stadt Schleswig ausgezeichnet worden ist. In einem Abendvortrag am 18. November sprach der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Tim Lorentzen aus München (jetzt Kiel) zum 19. Jahrhundert; die längeren Zitate rezitierte der Schleswiger Schauspieler Wolfgang Berger. Auf vielfachen Wunsch können wir den Vortrag an dieser Stelle dokumentieren. Für den Druck ist die mündliche Form behutsam angepasst, nur um die wichtigsten Quellen- und Literaturangaben ergänzt und um einige Bilder erweitert worden.
Die Veränderungen im ausgehenden 18. Jahrhundert gaben den Startschuss für das moderne Europa. Mit der französischen Revolution wurden die feudal-absolutistischen Ständestaaten abgeschafft und die Menschenrechte verkündet. Fortschritt, Freiheit, Individualität, Vernunft und Toleranz wurden im aufgeklärten Bürgertum zum Wert schlechthin. Auch das Erziehungswesen, die schulische Bildung und die freie wissenschaftliche Forschung standen von nun an im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. In Schleswig entstand im Verlaufe dieser Entwicklung die Wilhelminenschule, auf deren 1828 erfolgte Gründung Jürgen Hoppmann eingeht.
Ein Zufallsfund brachte Dr. Hans-Werner Johannsen auf die Spur eines Schleswiger Kommunisten. Der ehemalige Schulleiter und Kreistagsabgeordnete hat in mühevoller Kleinarbeit den Lebensweg des 1931 in die KPD eingetretenen Arbeiters Karl Vollstedt nachverfolgt. Das Leben des 1888 in Tondern geborenen und weitgehend vergessenen Bildhauers Emil Rasmus Jensen steht im Mittelpunkt eines weiteren biographischen Beitrags. In Schleswig werden sich noch viele ältere Menschen an seine Kunst erinnern, waren doch Haus und Garten der einstigen, von Dr. med. Uwe Jensen und seiner Frau Dr. med. Ingrid Jensen betriebenen „Frauenklinik“ in der Flensburger Straße mit zahlreichen Arbeiten des Künstlers ausgestaltet. Basierend auf einigen wenigen Veröffentlichungen und dem umfangreichen, von der Familie sorgsam gehüteten Künstlernachlass zeichnet deren Sohn Prof. Dr. Arne Jensen, Leiter der Campus Klinik Gynäkologie an der Ruhr-Universität Bochum, die Lebensstationen des infolge einer Erkrankung kleinwüchsigen, aber hochbegabten Mannes nach.
Dass es vom Theater in der Schleistadt immer wieder Neues zu berichten gibt, unterstreicht Dr. Falk Ritter mit seinem Artikel über Geschichte der ehemaligen „Theater Gaststätte“ im Lollfuß. Darin zeigt er auf, dass nicht nur das Theater selbst immer wieder vor großen Herausforderungen stand. Auch die zahlreichen Pächterwechsel der benachbarten Theatergastronomie zeigen, wie groß die finanziellen Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung dieser für Schleswig so wichtigen Kultureinrichtung waren.
In die Rubrik „Häuser, Straßen, Gärten und Anlagen“ wurden drei Artikel aufgenommen. In einem umfangreichen, mit zahlreichen biographischen Angaben versehenen Beitrag über Fürsens Hof im Friedrichsberg - heute Stammsitz der Schleswiger Asphaltwerke (SAW) – informiert Dr. Ernst Joachim Fürsen über deren ehemalige Besitzer. Dr. Friedrich Stoll widmet sich der ehemaligen – und längst vergessenen - Fähre über die Schlei, die in der Verpachtung des St. Johannis Klosters über mehrere Jahrhunderte die „Freiheit“ mit dem am Südufer gelegenen Fahrdorf verband und ihr Ende im Zuge des Kasernenbaues im Oktober 1936 fand. Andreas Heyer widmet sich in einem kurzen Artikel einem Kapitel aus der Justizgeschichte. Er erinnert an das ehemalige Gefängnis im Stadtteil Friedrichsberg mit der heutigen Adresse Kleinberg 9 und das bis 1939 genutzte und später abgerissene Gefängnis hinter dem Amtsgericht im Lollfuß.
In den „Lebenserinnerungen“ beschreibt Jürgen Hoppmann seine Schulzeit an der Wilhelminenschule in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und Ernst Günter Empen berichtet über seine Zeit als Lehrer an der „Landesgehörlosenschule“, dem heutigen „Landesförderzentrum Hören und Sehen“. Am Ende des Bandes gibt Andreas Kunte eine Erwiderung auf Jürgen Hoppmanns in den Beiträgen 2016 veröffentlichten Überlegungen zum Straßennamen „Lollfuß“ und Dr. Falk Ritter bittet um Beachtung einer Korrektur in seinem im gleichen Heft erschienenen Artikel über „Leben, Leiden und Sterben in Schleswig-Friedrichsberg von 1667 bis 1803.
Auch in diesem Heft haben wir beim Layout wieder einige kleine Veränderungen vorgenommen, die dazu dienen, die Beiträger großzügiger, vor allem aber lesefreundlicher zu gestalten. Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass eine Druckseite jetzt ein paar Zeilen weniger umfasst als bisher.
Abschließend möchten wir uns bei den Autoren dieser Beiträge recht herzlich bedanken. Ohne sie, die uns ihre Artikel aus Begeisterung für die Stadtgeschichte kostenlos zur Verfügung stellen, gäbe es unsere Zeitschrift nicht.
Auch im Namen des Vorstandes wünschen wir allen Mitgliedern sowie allen Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre und freuen uns immer auf Kommentare.
Ihr Redaktionsteam