Reaktionen 61-2016 - Schleswiger Stadtgeschichte

Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte e. V.
Direkt zum Seiteninhalt

Reaktionen 61-2016

Beiträge Mitteilungen > Band 61-2016
 
Erwiderung auf W. Kramer, Schanze und Burg bei Rothenkrug, Klein Dannewerk. Beiträge zur Schleswiger Stadtgeschichte 60, 2015, 91-111
von Claus von Carnap-Bornheim, Lennart S. Madsen, Astrid Tummuscheit und Frauke Witte

 
In seinem Aufsatz postuliert Willi Kramer die Existenz der beiden im Titel genannten Monumente. Dies ist als Vorschlag legitim und beachtenswert. In seiner Schrift widmet sich Kramer auch den Ausgrabungen, die das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein zwischen 2010 und 2014, ab 2013 in Zusammenarbeit mit dem Museum Sønderjylland, Arkæologi Haderslev, durchgeführt hat. Ohne eigene Beteiligung an den Untersuchungen und ohne Zugang zu der umfangreichen Grabungsdokumentation gelangt der Verfasser dabei zu weitreichenden Schlussfolgerungen, die aufgrund mangelnder Kenntnis und/oder aufgrund der Verfälschung von in Vorberichten getroffenen Aussagen in wichtigen Teilen jeder Grundlage entbehren. Dass diese dennoch als wahr und gegeben hingestellt werden, offenbart einen methodisch unsauberen und generell unwissenschaftlichen Umgang mit den zur Verfügung stehenden (Informations-) Quellen. Der mehr als fragwürdige Stil der Auseinandersetzung mit dieser schwierigen archäologischen Problemstellung wird dabei u. a. durch die Verwendung von im Internet veröffentlichten, auf der Ausgrabung entstandenen Privatfotos und den Bezug auf unwissenschaftliche Quellen wie z. B. Berichte in Anzeigenblättern und der Tagespresse unterstrichen.
 
Eine Auswahl von Beispielen soll die unseriöse Vorgehensweise und die daraus resultierenden Schwächen der Kramer’schen Argumentation genauer aufzeigen. Ausgehend von einem auf einer privaten Internetseite publizierten Foto (Kramer 2015, 103 Abb. 9) vom „Tag der offenen Grabung“ am 11. Oktober 2013 unternimmt Kramer den Versuch seine These zu belegen, dass es sich statt des ausgegrabenen Weges durch das Tor im Danewerk um einen Wehrgraben handele. Das Foto mit Blick nach Norden zeigt einen Profilschnitt durch die unteren Füllschichten der Torgasse. Erkennbar sind dabei ein mehrphasiger, häufig erneuerter bzw. gereinigter Graben mit einer Resttiefe von ca. 1 m sowie daneben anschließend ein deutlich flacheres Paket aus horizontal abgelagerten Straten.
 
Kramers Versuch einer Prognose hinsichtlich der Profilform und den Ausmaßen des Grabens (Kramer 2015, 102f.) misslingt, denn der Graben besaß weder eine zusätzlich Tiefe von 50 cm (richtig sind ca. 5 cm) noch die Form eines Spitzgrabens (tatsächlich ist es eine nahezu ebene Sohle). Die Behauptung „Die Ausgräberin interpretierte die obere Phase als ‚Hohlweg’, die untere als ‚Drainage’.“ (Kramer 2015, 102) ist falsch, was daran liegen mag, dass Kramer sich auf zwei, in diesem Zusammenhang gänzlich ungeeignete und zudem nicht von der Ausgräberin verfasste Quellen stützt (wöchentliches Anzeigenblatt „Moin Moin“ vom 1.10.2013 und die Tageszeitung „Schleswiger Nachrichten“ vom 6.11.2014).
 
Die östlich des Grabens gelegenen Schichten werden von Kramer als Berme, von den Ausgräberinnen als Wegschichten mit Wagenspuren interpretiert. Als Beleg für seine These erkennt Kramer an zwei Stellen Bodenbildungen (Kramer 2015, 103), wie sie für die längere Zeit offenliegende Oberfläche einer Berme typisch wären. In beiden Fällen irrt Kramer – bei der Aussage „nach oben hin schließt die Schicht mit einer Bodenbildung“ handelt es sich jedoch um eine besonders krasse Fehleinschätzung: Hier wurde eine kompakte Holzkohleschicht angeschnitten, die nach Aussage der C14-Datierungen im 10. Jahrhundert n. Chr. abgelagert wurde. Diese und die darunterliegenden älteren Schichten können somit unmöglich die zu einem waldemarzeitlichen Wehrgraben und einer hypothetischen waldemarzeitlichen Burg gehörige Berme darstellen.
 
Neben den genannten erhaltenen Wegschichten in der Toröffnung fanden sich bei den Ausgrabungen im Wallvorfeld weitere Wegphasen mit unterschiedlicher Konstruktion und Datierung. Diese Phasen überlagern einander zum Teil und weisen konsequent den gleichen Verlauf entlang des Walls nach Osten auf. Die hierfür vorgeschlagene Erklärung der leichteren Verteidigung wird von Kramer abgewiesen, ist aber in der Forschung gängig, anerkannt und nachvollziehbar (vgl. z. B. Lemm 2015, 57). Kramer (2015, 103) unterstellt, dass die von ihm als „naheliegend“ bezeichneten Fragen, nicht gestellt worden wären. Dabei liegen die Antworten dieser Fragen so klar auf der Hand, dass sie gar nicht gestellt werden müssen. So sollte das Verteidigungskonzept eben dazu dienen, Angreifer, die den Wall bzw. das Tor überwinden wollten, zu einer bestimmten „gefährlichen“ Wegführung zu zwingen. Gleichzeitig war ein Kämpfer mit dem Schild am rechten Arm und dem Schwert oder einer anderen Waffe in der Linken, sicher mehr gehandicapt, als einer, der nicht zum „Seitenwechsel“ gezwungen worden war.
 
Es ist klar, dass Kramer ohne das kritische Hinterfragen von Medienberichten und durch fehlende Einsicht in aktuelle Resultate zu einem verzerrten, in weiten Teilen falschem Bild der tatsächlichen Gegebenheiten gelangen musste (oder wollte?)! Im Stil fragwürdig, methodisch naiv und in der Interpretation ein Phantasiegebilde kann Kramers Beitrag allenfalls Verwunderung auslösen. Ein Beitrag zu einer wissenschaftlich fundierten Diskussion ist er zweifellos nicht.
 
Über die beschriebenen Beispiele zur Richtigstellung eines Artikels, wären natürlich weitere Ergebnisse der Ausgrabung zu nennen. Deren Publikation ist Ziel eines laufenden Forschungsprojekts, in dem u. a. die Phaseneinteilung und Datierung der Wälle und besonders die Torsituation im Mittelpunkt stehen. Naturwissenschaftliche Methoden, sowie Zeit und Augen vieler Kollegen bieten dabei die Möglichkeit, bislang offene Fragen zu klären und teilweise heute gültige Resultate kritisch zu diskutieren bzw. ihnen gegebenenfalls neues Wissen hinzuzufügen.
 

Literatur
 
Lemm 2015: T. Lemm, Eine Grabenanlage, die Rätsel aufgibt. Ein Versuch der Interpretation einer verschwundenen Burg in Aukrug-Bünzen, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 21, 2015, 54-59.


Antwort auf die „Erwiderung“

Die Autorengruppe der „Erwiderung“ sieht die Schanze von 1659/59 sowie ihre Vorgängerin, eine Burg, als „postuliert“ und als „Vorschlag“; beide Denkmale sind so bereits in den ersten beiden Sätzen abgetan, ohne irgendeinen Nachweis zu liefern. Es folgen drei kritisierte Aspekte. Zunächst geht es um den Graben, den die Ausgräberin Zeitungen gegenüber als Drainage bezeichnet hat, in der Publikation von 2014 aber als „Straßengraben“. Sie hatte den Begriff in Anführungszeichen gesetzt, vermutlich weil auch ihr diese Funktion fremd erschien. Was ein wasserabführender Graben in dieser sandigen Umgebung soll, erschließt sich mir jedenfalls nicht; er wäre auch viel zu groß. Zur Tiefe und Ausformung des Grabens: Auch mit flacher Sohle ändert sich am Charakter des Grabens als Wehrgraben nichts.
Es folgt eine Aussage, die meine Einordnung des Befundes bestätigt: „Hier (im angeblichen Weg) wurde eine kompakte Holzkohleschicht angeschnitten, die nach Aussage der C14Datierungen im 10. Jahrhundert n. Chr. abgelagert wurde“. Diese Holzkohleschicht verweist jede Idee von einem Weg ins Abseits: Hätte eine solche kompakte Holzkohleschicht in einem Weg gelegen, wäre sie innerhalb weniger Tage durch Tierhufe und Wagenräder vertikal wie horizontal verteilt und bald buchstäblich atomisiert worden. Und dieser Weg soll noch mehr als zwei Jahrhunderte bestanden haben. Man muss nicht Archäologe sein, um das zu verstehen.
Zum Ende wird das Argument verteidigt, das die merkwürdige Passage des „Weges“ erklären soll. Der „Weg“ soll ja zunächst vom Ochsenwegverlauf in spitzem Winkel nach links abgeknickt sein, dann als tiefer Hohlweg über 45 Meter den Wall parallel begleitet haben bis er schließlich rechts abknickend schräg durch den Wall verlaufen sei. Dies habe den Zweck gehabt, den Angreifer zu zwingen, dem Wall und den Verteidigern die vom Schild ungedeckte rechte Seite zu bieten, weil er rechts das Schwert getragen habe. Meine Frage hatte da gelautet, ob die Angreifer nicht schlau genug gewesen seien, den Schild nach rechts zu nehmen, und ob sie sich diesen Weg überhaupt hätten aufzwingen lassen statt den direkten Weg zum Durchgang zu nehmen. An dieser grundsätzlichen Diskrepanz zwischen Schreibtischtheorie und praktischer Vernunft ändert nichts daran, Torsten Lemms Publikation zu erwähnen. Lemm hat diese Vorstellung in geradezu stereotyper Weise wiederholt, so dass sich an einen Zirkelschluss denken lässt („ … gezwungen gewesen, ihre ungeschützte Schwerthandseite zu präsentieren, während der Schild ihre der Burg abgewandte linke Seite gedeckt hätte (Lemm 2015, 57)“).
Willi Kramer
Zurück zum Seiteninhalt