Leserecke 55-2010 - Schleswiger Stadtgeschichte

Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte e. V.
Direkt zum Seiteninhalt

Leserecke 55-2010


Bauen in Schleswig

Paulihof gerettet

Mussten wir noch vor Kurzem (s. Beiträge 2009, R. Winkler S. 104) um den Erhalt des Paulihofes fürchten, so ist diese Gefahr von dem neuen Besitzer erfreulicherweise abgewendet. Als wichtigste Sicherungsmaßnahme ist ein neuer Dachstuhl gesetzt.
Rückseite
Der Bau ist eingerüstet,
der neue Dachstuhl fast
vollständig gerichtet.





[image:image-1]
Blick in den entkernten Innenhof.
Der Ehrenhof-Charakter ist schon
jetzt wieder deutlich erkennbar.

Die topo- und histographische Bedeutung des Paulihofes für Schleswig ist gar nicht hoch genug einzuschätzen! Welche Funktionen er übernehmen soll, ist noch unentschieden. Im Gespräch ist auch ein Café, eine gute Idee, die aber zur Voraussetzung hätte, dass vom Neuwerk-Park ein direkter Zugang, z.B. durch ein Einweg-Drehtür, geschaffen würde. Das Paulihofareal als oberer Abschluss des Schlossviertels würde so eine auch touristisch
sinnvolle Abrundung erfahren.
Zum Namen noch eine Anmerkung: Es hat sich eingebürgert, das Gebäude als „Paulihof“ zu bezeichnen. Historisch korrekt ist dies nicht, denn der eigentliche Paulihof ist das parkgesäumte herrschaftliche Anwesen 200 m weiter westlich. Es handelt sich vielmehr um eine Übertragung des Straßennamens „Am Paulihof“ auf das markanteste Bauwerk.
 2a      2b  

 2c       2d
Erste Wohnbauten auf der Freiheit

Zwar ist die Freiheit noch eine riesige Baustelle und auch das Straßennetz noch im Entstehen, doch erste Wohnbauten sind schon fertig gestellt und teilweise auch bezogen (Abb. 2 a – c). Mit der Erhaltung des alten Baumbestandes und wichtiger Altbauten der ehemaligen Kaserne (Abb. 2d) sowie dem anspruchsvollen Neubau der dänischen Schule (s. Beiträge 2009, S. 147) lässt sich erahnen, dass der Anspruch einer Schaffung eines qualitätvollen Stadtquartiers eingelöst werden wird.

Auch im Neubaugebiet „Berender Redder“ haben die Baumaßnahmen mit Anlage der Erschließungsstraßen begonnen.


Problematischer Neubau

Auf ältestem Stadtgrund an der Ecke Fischbrückstraße/Hafengang ist ein Neubau entstanden, der zu heftigsten, gleichwohl wirkungslosen Klagen geführt hatte. Zwar übernimmt er mit Giebel, Zwerchgiebel, seitlichem erkerartigem Risalit und Backsteinmauerwerk typische Stilelemente norddeutschen Bauens und ist für sich genommen durchaus ansprechend, in der kleinteiligen, allenfalls zweigeschossigen Umgebungsbebauung ist jedoch ein viel zu mächtiger und zu hoher Baukörper entstanden, der das Erscheinungsbild empfindlich stört (Abb. 3).
                                                                                                                                                  Rainer Winkler















Abb. 3:
Neubau Ecke Fischbrückstraße/ Hafengang
Blick aus dem Hafengang westwärts. Die Baumasse
ist so erheblich,dass sie sich von keiner Stelle
vollständig im Foto einfangen lässt.

Zur Diskussion

Im letzten Heft der Beiträge haben wir mit dem Diskussionsforum eine neue Rubrik eröffnet. Ziel ist, eine Meinungsbildung zu aktuellen Fragen der Stadtgeschichte innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen, auch um mit den Vorstellungen der Mitglieder gezielt in die Öffentlichkeit zu gehen. Leider wurde von dieser Möglichkeit bislang von den Mitgliedern kein Gebrauch gemacht, obwohl die Themen von erheblicher Relevanz waren und auch öffentlich ausgetragen wurden. Es fällt uns schwer zu glauben, dass in einer so großen Gesellschaft hierzu keine Meinungen vorhanden sind, sondern wir wollen eher annehmen, dass die neue Rubrik noch nicht hinreichend wahrgenommen wurde, wie denn die Aufforderung zum Dialog für Viele noch gewöhnungsbedürftig zu sein scheint. Dabei ist die aktive Mitarbeit der Mitglieder einer Gesellschaft unverzichtbar, wenn sie lebendig bleiben will.

Wir wollen daher die Diskussion der beiden Themen auch nicht abschließen. Und wir sind auch so mutig, ein weiteres hinzuzufügen:


Schleswig – Stadt ohne Zukunft?

Diese Frage drängt sich angesichts der vielen Leerstände in den Geschäftsstraßen, der Ungewissheiten der Ausgestaltung auf der Freiheit, dem zukunftsträchtigsten Areal, und einem prognostizierten Bevölkerungsrückgang auf 20 000 Einwohner in den nächsten 10 Jahren bei überproportionaler Zunahme der älteren Bevölkerung geradezu auf. Zukunft – kein Thema für einen Geschichtsverein? Oh doch, ohne Zukunft verliert auch die Geschichte an Wert. Uns, die wir diese Stadt lieben, kann solche Entwicklung nicht gleichgültig sein! Die Taten und Versäumnisse von Heute sind die Geschichte von Morgen.
In Schleswig hat sich auf Initiative von Wulf Schady, ehemaliger Rektor der Dannewerk-Schule, unter dem Namen „Zukunftswerkstatt: Vision Schleswig“ eine Bürgerinitiative gegründet, in der engagierte Bürger aus allen Bereichen der Stadt mitwirken. Ihr Ziel ist Sicherung einer gedeihlichen Entwicklung der Stadt bei Wahrung ihrer historischen Gestalt und ihrer kulturellen Vielfalt. Sie versteht sich als Partner von Politik und Verwaltung. In Sorge, eine unwiederbringliche Chance der Stadtentwicklung zu versäumen, hat sie an den Ministerpräsidenten, die Minister und zahlreiche Entscheidungsträger im Land und in der Stadt das nachfolgende Schreiben gesandt:

An den Herrn Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen u. v. a.

Betr.: Ausbau der Stadt Schleswig zum Gesundheitsstandort

Sehr geehrte Damen und Herren,
aus Liebe zu unserem schönen Schleswig und in Verantwortung für die nach uns kommenden Generationen haben wir, Bürger und Bürgerinnen der Stadt, eine „Zukunftswerkstatt“ gegründet. In Sorge um die Zukunft unseres Gemeinwesens haben wir beschlossen, uns überparteilich und unabhängig, selbstlos und konstruktiv aktiv in die Gestaltung unserer Stadt einzubringen. Dabei geht es uns um eine gemeinsame Anstrengung, eine Vereinigung
von „Zivilgesellschaft” und Politik:
Wir haben erkannt, dass unsere Stadt SCHLESWIG sich wie kaum ein anderer Ort in Schleswig-Holstein als „Gesundheitsstandort” eignet!
Darum haben wir uns entschlossen, unser Bündel an Ideen auf den Weg zu bringen. Wir wenden uns an die zuständigen Institutionen unseres Landes und an andere Beteiligte mit der Bitte, sich unserer Überlegungen anzunehmen:
Angesichts der demografischen Entwicklung wird der größte Wachstumssektor im Tourismus zukünftig der Gesund-heitstourismus sein. Kaum ein anderer Ort in Schleswig-Holstein bietet hierfür so hervorragende Standortvorteile wie die Stadt Schleswig:

  • Schleswig befindet sich in landschaftlich schönster und ruhiger Lage an der Schlei. Es ist umgeben von erstklassigen Naherholungsmöglichkeiten – dem Pöhler Gehege, dem Wald am Schloß Gottorf und den Landschaften Angeln und Schwansen. Schleswig liegt zentral mitten im Land zwischen den Meeren und hat beste Verkehrsanbindungen.

  • In Schleswig besteht aktuell die Notwendigkeit eines Krankenhaus-Neubaus. Die Damp Holding als Krankenhausträger hat ihre Wurzeln im Gesundheitstourismus. Damit bestünden bei einem Neubau des „Schlei-Klinikums” in Schleswig vergleichsweise problemlose Erweiterungsmöglichkeiten innerhalb der zukünftigen Schwerpunkte im Gesundheits-tourismus: Gerontologie (erhebliches Defizit), Gelenkerkrankungen (Rheuma, Arthrosen – deutliches Defizit), Herzkreislauferkrankungen (vergleichsweise gut abgedeckt), Onkologie (recht gut abgedeckt), Stoffwechselerkrankungen (insbesondere Diabetes gut abgedeckt), seelische Erkrankungen (insbesondere im Bereich der Depressionen und der posttraumatischen Störungen große Defizite).

Unverzichtbare Voraussetzung: Höchster Qualitätsstandard! Der Krankenhausneubau müsste Abteilungs-erweiterungen und -stärkung berücksichtigen – ggf. wären hochqualifizierte medizinische Leitungen neu zu berufen.

  • In Schleswig befindet sich der neue Stadtteil „Auf der Freiheit” im Aufbau mit großem Entwicklungspotential in touristisch attraktivster Lage an der Schlei. Zudem besteht qualitativ bestes Erweiterungspotential auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik – ebenfalls direkt an der Schlei. U. a. soll hier eine Gesundheitstherme entstehen, die den Kristallisationspunkt eines umfassenden Gesundheitsangebots bieten könnte, die damit unabhängig wäre von wechselndem Besucherzuspruch. Mit der Schaffung einer umgebenden Infrastruktur könnte ein Nutzerpotential erreicht werden, das 100.000 bis 150.000 Besucher pro Jahr gewährleistet. Hierzu wären ca. 1.000 Fremdenbetten erforderlich mit gesundheitstouristischer Ausrichtung. Zusätzliche Kooperation mit größeren Bettenanbietern im Nahbereich (Umkreis 50 km). Es bestehen beste Gegebenheiten zur Schaffung einer hotelartigen Nachsorgeklinik / eines medizinisches Reha-Zentrum mit höchster Qualität. – Angebotsschwerpunkte: Gerontologie, Gelenkerkrankungen, seelische Störungen, ambulante Reha (mit 60 bis 100 Betten zur Kapazitätserweiterung auf vertretbarem Kostenniveau – ggf. auch in den leerstehenden, architektonisch bedeutsamen und denkmalpflegerisch geschützten Krankenhausbauten auf dem Hesterberg, die bereits zum Schleiklinikum gehören). Die dadurch verkürzten Verweilzeiten im Krankenhaus würden zu höherer Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses führen, zu größerer Attraktivität für den Aufenthalt externer Patienten, zu höherem medizinischem Sicherheitsgrad = höherer Qualität. Zudem: Ansiedlung eines leistungsstarken homecare-Unternehmens mit dem Schwerpunkt ambulanter Pflege, aber auch angeschlossener Pflegestation mit etwa 20 Betten (Kurzzeitpflege). Darüber hinaus sollten Hotelneubauten mit nicht unter 300 Betten auf hohem Qualitätsniveau entstehen sowie Ferienanlagen mit minimal 500 Betten.

Für die Zielgruppe „best Ager” böten sich beste Voraussetzungen für den „Altersruhesitz” mit Gesundheitsangeboten (Schwerpunkt Gerontologie) in allernächster Nähe, die ein Verbleiben in der erworbenen Immobilie auch bei Eintritt eines Pflegefalles ermöglicht (was sicher auch der raschen Bebauung der „Freiheit” förderlich ist). Eine solche Planung sollte in enger Kooperation mit Damp und Olpenitz erfolgen.

  • In Schleswig steht die Sanierung bzw. der Neubau eines Hallenbades an.Schleswig gilt seit den 1960er Jahren als „Spektrum europäischer Kultur”! Neben den schon beschriebenen Standortvorteilen bietet unsere Stadt ihren Erholung und Genesungsuchenden Gästen und Bewohnern also nicht nur hervorragende Naherholungs-möglichkeiten, sondern auch Kultur auf hohem Niveau: Schloß Gottorf mit seinen landesmusealenund archäologischen Sammlungen, seinen Kunstausstellungen, seinem Globushaus, seinemBarockgarten – Gottorf ist inzwischen weit über die Grenzen unseres Landes hinausberühmt. Der St. Petri Dom mit seinem Brüggemannaltar, mit seinen Gottesdiensten,seinen Konzerten zieht Menschen von weither an. Haithabu und das Danewerk stehen zurAnerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe an. Die Volkskundemuseen. Das Stadtmuseum. Diealte Fischerinsel – der Holm vor Schleswig liegt in seinem alten Gefüge noch nachahnbarda. Das St. Johanniskloster mit seiner Priörin, seinem Bibelgarten und dem NordelbischenBibelzentrum und seinen Veranstaltungen … Das Schleswig-Holstein-Musik-Festival ist jedesJahr in Schleswig zu Gast. Schleswig hat ein eigenes Theater und Schleswig träumt davon,sein Sommertheater im Schloßhof und sein Barockgartenfest zu Festspielen auszubauen(die Salzburger Region z. B. lebt im Sommer von ihren Festspielen!).

  • Schleswigs Ratsversammlung bemüht sich z. Z. für Schleswigs Fußgängerzone um Anerkennungals Sanierungsgebiet. Schleswigs wirtschaftliche Anziehungskraft soll wachsen. Wirhoffen auf Investitionsmittel im Rahmen der Städtebauförderung. Zudem wollen wir uns umden Erhalt unserer historischen Gebäude bemühen. Wir wollen Schleswigs Herz beleben, unsbemühen um eine klassische Stadtkultur mit einer Vielfalt von Einzelhändlern, Handwerkund Kunsthandwerk, mit Gaststätten mit regionalem Flair, mit Caféhauskultur, mit Musikund Literatur. Wir träumen von einer herzöglichen Zuckerbäckerei. – Schleswig als Quellealthergebrachter Genüsse und guter Sitten – für Schleswigs Bürgerinnen und Bürger undfür Menschen von nah und fern. Das ist was Menschen suchen – weltweit! (und nicht dieMärkte an der Peripherie, jenes „Überalldasselbe” der multinationalen Konzerne mit nur wenigen Arbeitsplätzen und Gewinnen, die nicht unserer Stadt zugute kommen.)

Der in Schleswig anstehende Krankenhausneubau, der Ausbau des neuen Stadtteils „Aufder Freiheit” mit der Gesundheitstherme als Kristallisationspunkt und einem umfassendenGesundheitsangebot, die Bewahrung der historischen Schleswiger Bausubstanz, die Wiederbelebungder Schleswiger Innenstadt in klassischer Form sowie der Ausbau des jetzt schonimmensen Schleswiger Kulturangebots – all dies zusammengenommen bietet die einmalige Chance eines integrierten gesundheitswirtschaftlichen und kulturellen Gesamtkonzepts aufhohem Niveau, so dass an Schleswig kein Weg vorbeiführen kann!

Ohne dies wird Schleswig in den nächsten Jahren ein Fünftel seiner Einwohner verlieren!Bitte verhindern Sie, dass Schleswig eine sterbende Stadt wird!

Wir bieten einen der schönsten Orte der Erde für Erholung, Genesung und Kultur. Wir erhoffenuns Wohlstand für unsere Stadt.
Bitte unterstützen Sie die Stadt Schleswig bei diesem Zukunftsunternehmen! Ihre Antworterbitten wir an u. g. Anschrift.

Mit freundlichen Grüßen
Marlies Jensen           Wulf Schady
Klaus Müller               Professor Dr. Rainer Winkler
Bürgerinitiative „Zukunftswerkstatt Vision Schleswig”

Ausstellungen im Stadtmuseum

Unser Stadtmuseum – Eine Positionsbestimmung

1985 wurde ich vom Magistrat der Stadt Schleswig zum Direktor des Stadtmuseums ernannt. Mit dieser Funktion war in Personalunion die Leitung des neuen Kulturamtes verbunden, zu dessen Aufgabenkatalog damals auch die Zuständigkeit für den städtischen Tourismus gehörte. Als ich 1985 meine Stelle antrat, fand ich ein Haus vor, dem es trotz des großen Engagements meines Vorgängers Dr. Theo Christiansen an einem klaren Profil fehlte und das vielleicht auch deshalb Schleswig in der dichten Museumslandschaft zu wenig wahrgenommen wurde. Durchschnittlich 7 000 Gäste besuchten in den Jahren vor 1985 das Ensemble des Günderothschen Hofes in der Friedrichstraße. Dieser „Dornröschenschlaf“ hatte dazu geführt, dass die Existenz des Stadtmuseums in der Kommunalpolitik 1984 ernsthaft in Frage gestellt wurde. Deshalb legte ich den städtischen Gremien eine Analyse der Stärken und Schwächen des Museums verbunden mit einem Konzept vor, das die künftigen Perspektiven und einen Aktionsplan für eine Neuausrichtung beinhaltete.
Die wesentlichen Eckpunkte lauteten:

  • Produktion einer Sonderausstellungsserie zur Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts und anschließende Überführung der Hauptelemente in die neu zu gestaltenden Schausammlungen.
    Nutzung audiovisueller Medien z. B. für Zeitzeugeninterviews.
  • Überprüfung aller Ausstellungsbereiche auf vermeidbare Überschneidungen mit den benachbarten Museen, zu denen seit 1985 auch das Wikinger Museum Haithabu zählte. Konsequenz: Reduzierung der sehr breit angelegten archäologischen Abteilung und Konzentration auf die aktuellen Ergebnisse der Altstadtgrabungen in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Landesmuseum; weitgehender Verzicht auf Kunstausstellungen, sofern kein direkter Bezug zu Schleswig gegeben ist.
  • Klare Positionierung des Stadtmuseums vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Kulturtourismus mit dem Alleinstellungsmerkmal einer breite Schichten ansprechenden regelmäßigen Präsentation von Fotografieausstellungen internationalen Formats; parallel dazu nachhaltige Profilierung als kinder- und familienfreundliches Haus auf der Basis der vorhandenen Spielzeugsammlung von Dr. Joachim Gunkel.
  • Ausbau der museumspädagogischen Angebote.

Die weitere Entwicklung des Stadtmuseums ist bekannt:

  • Pionier- und Schrittmacherleistungen im Bereich der Stadtgeschichte (z. B. Ausstellungsserie „Schleswig im 20. Jahrhundert“ mit begleitenden filmischen Zeitzeugeninterviews; Schauraum „Sliesthorp-Haithabu-Schleswig“ auf der Basis interaktiver digitaler 3-D-Rekonstruktionen von Dr. Willi Kramer; erstes stadtgeschichtliches Mediencenter in Schleswig-Holstein; stänige Präsentation des Themas „Schleswig in der Zeit des Nationalsozialismus“).
  • Selbstbewusste Behauptung durch eigene Schwerpunkte, Ausstellungsakzente und Veranstaltungen innerhalb der Schleswiger Museumslandschaft mit ihrer bundesweit einmaligen Dichte (z. B. durch den von Land und Europäischer Union geförderten Ausbau des Seitenflügels Kleinberg 2 zum Teddy-Bär-Haus als Projekt zur Förderung des Kulturtourismus und die Einrichtung der Dependancen Holm-Museum sowie Museum für Outsiderkunst).
  • Wahrnehmung des Museums national und international durch das Alleinstellungsmerkmal Fotografie; dadurch u. a. positive Effekte für das Stadtmarketing.
  • Steiler Anstieg der Besucherzahlen mit dem Spitzenergebnis 26 955 im Jahr 2009.
  • Erfolgreiche Positionierung als eines der führenden kommunalen Museen in Schleswig-Holstein.

Diese Aufzählung bitte ich nicht als Selbstlob zu verstehen, im Gegenteil: Ich bin offen für konstruktiven Rat und kritische Wegbegleitung. Wer allerdings das gegenwärtige - im Prinzip bereits 1985 – festgelegte Profil des Hauses generell in Zweifel zieht und zum Beispiel einen deutlich höheren Anteil stadtgeschichtlicher Projekte reklamiert, muss wissen:

  • Das Besucherpotential bei einer ausschließlichen oder überwiegenden Konzentration auf die Stadtgeschichte wäre zum „Überleben“ des Museums nicht ausreichend. Auch die Landesmuseen bieten bekanntlich in ihrem Sonderausstellungsprogramm eine thematische Vielfalt, die weit über den Kernauftrag der Einrichtungen hinausreicht.
  • Sonderausstellungen locken Gäste in das Museum, die über diesen Weg auch für stadtgeschichtliche Themen interessiert werden. Das war bei der Haribo-Ausstellung 2009 gut zu beobachten.
  • Stadtgeschichtliche Projekte sind extrem zeit- und personalaufwendig und verlangen fachliches Wissen. Der vorhandene wissenschaftlich ausgebildete Personalkörper des Stadtmuseums besteht aus insgesamt 1,5 Stellen, wobei durch die Bündelung von Kulturamts-und Museumstätigkeit nicht die volle Arbeitskapazität für Museumsprojekte zur Verfügung gestellt werden kann.

Wie immer man die Aktivitäten des Stadtmuseums bewerten mag, so steht doch eines fest: Das Museum ist mit seinen dinglichen Überlieferungen zur Schleswiger Geschichte neben dem Archiv das unverzichtbare „Gedächtnis“ der Stadt. Dieses gilt es zu erhalten und auszubauen. Dabei setze ich auf die Solidarität und aktive Unterstützung der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte.

Holger Rüdel


Zu den Möglichkeiten eines Stadtmuseums – aus Sicht
einer Stadtgeschichtsgesellschaft

Haribos Goldbären als Sonderausstellung, Thomas Gottschalk im Innenhof eine vom Lakritzkonfekt abgeleitete Modenschau moderierend – Überraschung ist da wohl noch die gelindeste Reaktion. Da vermag auch die geistige Brücke – oder sollte man besser sagen: Krücke – zum zwar wunderschönen und attraktiven, aber nicht gerade Schleswigspezifischen Teddybärenhaus wenig weiter zu helfen. Kniefall vor einer ausufernden und zunehmend problematischer werdenden „Event“-Kultur oder eher doch schon Sündenfall? Opfer auf dem Altar einer kommunalen Kulturpolitik, die – selbst ideenlos – nur noch auf den wirtschaftlichen Erfolg starrt und diesen an Besucherzahlen misst, an den Kulturauftrag von Museen aber viel zu selten einen Gedanken verschwendet?

Vor solchem Hintergrund und angesichts notorischer materieller und personeller Unterversorgung haben es Regionalmuseen schwer, sich zu behaupten, schon gar, wenn sie im Schatten so großer, überregional ausstrahlender Museen wie Gottorf liegen. Ist es von daher nicht nachgerade zwingend, sich eine Nische zu suchen, um überhaupt wahrgenommen zu werden, wie dies dem Stadtmuseum mit hochkarätigen Fotoausstellungen seit Jahren gelingt. Zu den ureigenen Aufgaben eines Stadtmuseums gehört dies ganz sicherlich nicht, wenn auch wohl zu den existenzsichernden. Dass darüber hinaus bemerkenswert viel im Stadtmuseum bewegt und verbessert wurde, macht der vorangehende Beitrag von Dr. Holger Rüdel deutlich. Wir erkennen dies dankbar an.

Natürlich wünschte man sich als Stadtgeschichtsgesellschaft häufiger derart qualitätsvolle Ausstellungen, wie sie in Kooperation mit der Kreiskulturstiftung und dem Kreis- und Stadtarchiv zum 130-jährigen Museumsjubiläum arrangiert wurde, die zudem noch die exzellente und so vorzüglich aufbereitete Postkartensammlung von Karl Rathjen einschloss, Glücksfall einer Ausstellung in der Ausstellung, wünschte sich, dass die im Depot schlummernden Schätze häufiger ans Licht gehoben würden. Doch sehen auch wir ein, dass dies mit der Personalausstattung und dem Etat nur ausnahmsweise zu leisten ist. Erschwerend hinzukommt, dass das Museum im Rahmen seiner stadtgeschichtlichen Sammlungen keinen vertiefenden Schwerpunkt entwickelte, zudem wichtige Stücke sich gar nicht hier, sondern in Gottorf oder dem Landesarchiv, wenn auch in Blickweite, befinden.

Doch gerade solche Nachbarschaft macht deutlich, wo die Chancen liegen: in der Kooperation. Solche Kooperation sollte auf die Museen des Landesteils und grenzüberschreitend nach Nordschleswig ausgedehnt werden, denn die gemeinsame dänische Vergangenheit und Gegenwart ist sicher eine der dramatischsten und lehrreichsten Geschichtsepochen. Auch diese Häuser leiden unter den gleichen Problemen. Ein solcher Verbund könnte z. B. ein gemeinsam interessierendes Thema aus Geschichte, Politik oder Kultur – und deren gibt es mehr als genug – federführend durch ein Museum aufgreifen und durch die beteiligten Museen wandern lassen. Wenn ein Museum nur alle paar Jahre eine eigene Ausstellung produzieren muss, ließe sich dies auch mit spärlicher Besetzung eher realisieren. In der Bündelung der Kräfte wird sich dann auch jene Qualität erreichen lassen, die nicht nur ein regional-spezifisches Interesse befriedigt, sondern auch jenes Aufsehen erregt, das die gewünschten Besucherzahlen erschließt. Bis dahin sollten bereits konzipierte, geeignete Ausstellungen der Nachbarhäuser, auch wiederum mit Blick über die Grenze, übernommen werden, eine Möglichkeit, von der bislang im Stadtmuseum praktisch nie Gebrauch gemacht wurde.

Das Beispiel von Karl Rathjen zeigt zudem, wie sich besondere personale Kompetenzen einbinden ließen. Und wäre es nicht auch sinnvoll, die sich allenthalben, so auch in Schleswig, konstituierenden Freundeskreise aktiv an solchen Vorhaben zu beteiligen? Auch die Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte wäre hierzu gerne bereit. So sollte denn auch hier das Ehrenamt Leistungen ermöglichen, die zu erbringen die öffentliche Hand nicht mehr in der Lage ist. Die Alternative wäre doch nur der Verzicht auf eine Bereicherung und ein Vergnügen, die wir uns nur zu sehr wünschen.

Große Sorgen bereiten uns allerdings die politischen, durch ein kultur-feindliches Gutachten gestützten Überlegungen zur Zukunft des Stadtmuseums. Der reflexartige Griff zum Kulturetat, wenn der Rotstift angesetzt werden muss, ist nachgerade unerträglich und nimmt sich vor dem Anspruch einer „freundlichen Kulturstadt“ und den Bemühungen im Tourismus wie Hohn aus. Welchen verheerenden Eindruck muss es machen, wenn die älteste Stadt Nordelbiens ihr Stadtmuseum „eindampft“ oder „outsorced“, wie es als Forderung auf der politischen Agenda steht. Wie virulent solche Gefahr ist, zeigt das jüngste Beispiel aus dem reichen Hamburg: die gerade noch abgewendete Schließung des renommierten Altonaer Museums – es wäre auch für Schleswig-Holstein ein schlimmster Verlust, handelt es sich doch um das nach Gottorf bedeutsamste Kulturmuseum für unser Land! Wann endlich realisieren die Stadtväter, dass ein hoher Kulturstandard auch für das wirtschaftliche Überleben einer Stadt unverzichtbar ist.

Rainer Winkler für den Vorstand der
Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte

Straßennamen

Die Straße ist der engste Heimatraum, was liegt da näher, als ihr auch im Namen einen Bezug zur Heimat im weiteren Sinne zu geben, sei es in Form älterer Flurnamen oder bedeutsamer und verdienter Bürger der Stadt, auch noch akzeptabel, solcher des Landes. In der Vergangenheit hat Schleswig hiervon leider kaum Gebrauch gemacht, vielmehr Flora und Fauna durchdekliniert. Für die beiden großen Neubaugebiete Freiheit und Berender Redder sind die Entscheidungen nunmehr gefallen. Während begrüßenswerterweise für die Freiheit Vorschläge aus der Bevölkerung gewählt wurden, die auch alte Flurnamen wieder belebten, hat man sich für den Berender Redder für Autoren und Gestalten aus der Märchenwelt entschieden. Hier ist immerhin anerkennenswert, dass damit auch die angestrebte Familienfreundlichkeit des Viertels unterstrichen werden soll, schleswig-spezifisch ist dies leider nicht. Vorangegangen war eine heftige Diskussion in den Schleswiger Nachrichten, in der die Einwände der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte unter der Überschrift: „märchenhafte“ Straßennamen sorgen für Wirbel von Dirk Jennert ausführlich diskutiert wurden. Auch fanden wir Zustimmung bei den Bürgervereinen. Zahlreiche überwiegend die Märchenidee ablehnende Leserbriefe befassten sich mit dem Thema. Frauke Bühmann titelte: Rote Karte für den Rumpelstilzchenring? Ihren seinerzeitigen Kommentar drucken wir mit ihrer Genehmigung nebenstehend ab:

Man tat es und entschied sich für eine „entschärfte“ Variante. Doch eine große Chance für eine ortseigentümliche Prägung wurde vertan. Nun hoffen wir, dass Schleswig auch künftig neue Straßen bauen muss (wird), eventuell auch problematische Namensgebungen wie „Hindenburgplatz“ korrigiert werden. Nach welchen Kriterien sollte die Benennung erfolgen: Flurnamen, verdiente Persönlichkeiten und welche, historische Orte? Ihre Meinung interessiert die Gesellschaft. Schreiben Sie uns!
Zurück zum Seiteninhalt